Mission - gestern und heute.

Das Christentum kann Sinn und Orientierung bringen, wo nicht selten blinde Richtungslosigkeit oder doch diese oder jene Einseitigkeit den Weg der Welt bestimmen. Die Kirche möchte hier der Menschheit einen Dienst anbieten, durch den Gottes Heilsversprechen für alle Völker auch im Wandel der Zeit erfahrbar sein sollen.

Eugen Nunnenmacher SVD

Ein Elefant zwischen Verkehrsampel und Motorrädern: der Kontrast zwischen Tradition und Moderne springt unmittelbar ins Auge. Was der Umschlag der diesjährigen Missions-Chronik zeigt, verweist bereits auf ihr durchgängiges Hauptthema „Mission – gestern und heute“. Eigentlich klingt es schon wie eine hohle Phrase, seit langem ziemlich abgedroschen und auch nicht mehr allzu interessant: Unsere Welt befindet sich in raschem Wandel. So heißt es immer wieder und tatsächlich lässt sich dieser Eindruck nicht bestreiten. Fast überall verändert sich einiges, was als fest oder gar als selbstverständlich galt, und manches Neue taucht auf, an das man sich erst gewöhnen muss.

Vieles in unserem Alltag ist davon betroffen; es berührt aber auch nicht wenig unser Glaubensleben. Zwar sind unsere christlichen Überzeugungen zutiefst im Göttlichen verankert, aber als Christen stehen wir mitten in dieser sich wandelnden Welt. Wir wissen uns von Gott berufen und gesandt, zugunsten eben dieser Welt als überzeugte Zeugen ein überzeugendes Zeugnis für Gottes Reich zu geben.

Was wollen wir?
Das Christentum kann Sinn und Orientierung bringen, wo nicht selten blinde Richtungslosigkeit oder doch diese oder jene Einseitigkeit den Weg der Welt bestimmen. Die Kirche möchte hier der Menschheit einen Dienst anbieten, durch den Gottes Heilsversprechen für alle Völker auch im Wandel der Zeit erfahrbar sein soll. Diesem Ziel dient das missionarische Wirken der katholischen Kirche zum Wohle der Menschen überall in der Welt. Und dasselbe gilt für die vielfältige Missionsarbeit der Steyler Ordensgemeinschaft auf allen Kontinenten der Erde. Was ein solcher Einsatz inmitten einer sich ständig wandelnden Welt bedeutet, darüber berichten nun Steyler Missionare in den Beiträgen der vorliegenden Missions-Chronik.

Es geht dabei weniger um bloße Beschreibungen augenblicklicher Missionssituationen, als vielmehr um Entwicklungen, die im Laufe der Zeit zu Veränderungen in der konkreten Art und Weise geführt haben, wie Missionstätigkeit unter den verschiedenartigsten Umständen unserer Zeit verwirklicht wird und sich dabei vielleicht von früher vorherrschenden Methoden unterscheidet.

Bisweilen scheint auch unter wohlmeinenden Christen die kurzschlüssige Auffassung zu geistern, Mission sei in den heutigen Verhältnissen überflüssig geworden oder könne zumindest ihre Existenzberechtigung nicht mehr hinreichend nachweisen.

Häufig beruhen solche Missverständnisse nicht nur auf ehrlicher Sorge um einen vertretbaren Glauben, sondern leider auch auf festgefahrenen Vorstellungen, die das Christentum gern als unbeweglichen Betonklotz und weniger als ständig neu sprudelndes Leben sehen, das doch in jeder geschichtlichen Lage seine innere Kraft entfalten und mitteilen soll, um der Menschheit nach Gottes Willen den Weg zu größtmöglicher Reife zu weisen. Was das in ganz konkreten Situationen bedeuten und auch an echt missionarischer Flexibilität erfordern kann, lässt sich am besten an einzelnen Beispielen ablesen, die von erfahrenen Missionaren anhand persönlicher Erlebnisberichte im Folgenden vorgestellt werden.

Was ist anders?
In den vergangenen Jahren haben die meisten Ausgaben unserer Missions-Chronik jeweils ein bestimmtes Schwerpunktthema ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt. Von einigen Ausnahmen abgesehen, lag die Betonung gewöhnlich auf einem der etwa 60 Länder, wo die Steyler ihre Missionstätigkeit ausüben. In Wort und Bild wurde dabei über Land und Leute, über Missionierende und Missionierte, über Schwierigkeiten und Erfolge bei der Evangelisierung und im Wachstum der jungen Ortskirchen berichtet.

Um aber wegen dieser relativen Konzentration auf einzelne Missionsgebiete etwaige Einseitigkeiten und entsprechende Blickverengungen zu vermeiden und stattdessen auf die unverzichtbaren Perspektiven eines weltweiten Christentums hinzuweisen, gab es selbstverständlich auch eine bunte Mischung weiterer Schilderungen mit typisch missionarischem Akzent aus anderen Bereichen der Weltkirche.

Bei der diesjährigen Missions-Chronik sieht das Gesamtkonzept ein wenig anders aus, auch wenn in der Darstellungsform der Einzelheiten keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen wurden. Es geht jetzt nicht so sehr um dieses oder jenes Missionsgebiet und was dazu in interessanten Beiträgen gesagt oder gezeigt werden kann, sondern vielmehr um Zusammenhänge, die sozusagen über die Schnappschussqualität einer Momentaufnahme hinausgehen und eher – wiederum bildlich gesprochen – wie ein laufender Film Gegenwärtiges mit Vorhergehendem verknüpfen und so gewisse Entwicklungen und Besonderheiten nicht nur deutlicher erkennbar, sondern vor allem auch besser verständlich machen können.

Gerade der Vergleich zwischen früher und heute und darüber hinaus ein zusätzlicher Rundblick auf andere Verhältnisse jenseits des eigenen stets begrenzten Horizontes tragen nicht wenig dazu bei, wichtige Einsichten in die Wirklichkeit einer sich wandelnden Welt und der damit gegebenen Herausforderungen für Kirche und Christentum zu gewinnen.

Was sagen die Bilder?
Wie jedes Jahr bieten auch diesmal zahlreiche Farbseiten mit außergewöhnlichem Bildmaterial den Lesern unserer Missions-Chronik eine ästhetisch höchst ansprechende Attraktion. Unterhaltsam und interessant, informativ und instruktiv zugleich, ermöglichen diese Fotos vielseitige Einblicke in die Welt der Steyler Missionare.

Lernen in AfrikaDie Zusammenstellung der einzelnen Seiten ist so gestaltet, dass weitgehende Sachverbindungen und Ideenverwandtschaften ebenso wie grundlegende Unterschiede sichtbar werden. Ähnlichkeiten in missionsmethodischen Mustern und Modellen lassen sich anhand der bildlichen Wiedergabe unschwer identifizieren und vermitteln so ein Gefühl und Verständnis für ihre Bedeutung quer über den Globus hin, ohne dabei eigenständige Elemente oder nicht vergleichbare Besonderheiten irgendwie abzuwerten oder gar zu ignorieren.

Gleichzeitig werden durch die bewusste Kombination von neuesten Aufnahmen mit teilweise recht alten „Erinnerungsfotos“ auch historisch wichtige Dimensionen ausdrücklich betont. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine nostalgische Wiederbelebung längst verflossener Zeiten. Es geht vielmehr um ein besseres Verstehen des „Hier und Heute“ unserer missionarischen Wirklichkeit, die nicht etwa rückwärtsgewandt in einer überholten Vergangenheit festgefahren ist, sondern sich in ständigem Dialog mit Gott und der Welt stets weiter auf Zukunft hin entfaltet.

Rein technisch gesehen, wurden bei der Seitengestaltung – soweit dies angebracht erschien – „betagte“ Fotos in romantisch-traditionelle Zackenränder gesetzt, wie dies früher gern üblich war. Der Kontrast zu den anderen Aufnahmen veranschaulicht die Veränderungen und Verschiedenheiten, wie sie sowohl in geschichtlicher Perspektive als auch auf globaler Ebene im Laufe der Zeit und über alle Kontinente hinweg die Steyler Missionstätigkeit geprägt haben.

Darüber hinaus wurden diese Seiten auch thematisch geordnet. Der aufmerksame Betrachter erkennt die jeweilige Leitidee nicht nur am Bildinhalt, sondern ebenso an den erläuternden Zeilen, die einige Fotos begleiten und auf diese Weise ein organisches „Bilderlesen“ erheblich erleichtern.

Was bringen die Texte?
Wenn Missionare über ihre Arbeit schreiben, muss sich der Leser meistens auf eine bunte Mischung unerwarteter Neuigkeiten einstellen. Dies gilt auch für verschiedene Beiträge in der hier vorliegenden Veröffentlichung. Steyler stellen uns hier in anschaulichen Berichten ihr weit gefächertes Wirken vor. Sie sprechen nicht in frommen Floskeln, sondern oft in sehr persönlicher Weise über Erfahrungen und Er-lebnisse, Herausforderungen und Hoffnungen, ungewöhnliche Ereignisse und wichtige Begegnungen im Rahmen ihrer missionarischen Tätigkeit.

AfrikaDie diesjährige Missions-Chronik berücksichtigt vor allem solche Textbeiträge, die das Grundthema von „Mission – gestern und heute“ konkret illustrieren und dabei wesentliche Schwerpunkte aus ganz spezifischen Bereichen im Einzelnen verdeutlichen.

Die Spannung zwischen Tradition und Moderne liegt dabei offensichtlich im Blickfeld der Verfasser, ob sie nun aus Indien oder Indonesien berichten, aus den Vereinigten Staaten oder Lateinamerika, aus dem Kongo oder aus Papua-Neuguinea, aus dem alten Westeuropa oder dem neuen Russland, von einer Karibikinsel oder aus den Bergen von Taiwan. In jedem Fall wird etwas von dem sichtbar, was Wandel und Wachstum im theoretischen Verständnis von Mission und noch mehr in ihrer praktischen Durchführung zum Ausdruck bringt.

Gerade die vier Jahrzehnte seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bieten dafür eine Vielfalt verschiedenster Einzelheiten, die aus fast allen Regionen der Erde stammen und die reichhaltige Realität der heutigen Welt wie auch der Weltkirche selbst widerspiegeln. Zahlreichen Teilthemen gilt dabei die Aufmerksamkeit der Autoren; beispielsweise geht es um Punkte wie einheimische Ortskirchen, ausländisches Missionspersonal, geistliche Berufe, soziale Verantwortung, schulische Ausbildung, Bibel und Liturgie, religiöse Vertiefung und Laienapostolat, Rassenverständigung und Religionsfreiheit, Entwicklung und karitative Tätigkeit, Frieden und Fortschritt, Migration und Minderheiten, Medien und Menschenrechte, Erstverkündigung und Neuevangelisierung, Inkulturation und Dialog, Volksfrömmigkeit und Religionsfreiheit, Identität und Internationalität und so fort.

Was geht weiter?
Es ist unmöglich, hier eine erschöpfende Zusammenfassung der jüngsten Entwicklung des katholischen Missionswesens vorzulegen. Auch was die Steyler Missions-Chronik 2007 präsentiert, sind lediglich einige markante Ausschnitte aus einer lebendigen Gesamtwirklichkeit, die situationsbedingte und kontextbestimmte Schwerpunktverschiebungen kennt, ohne ihre im christlichen Glauben verankerte Identität als kirchliche Weltmission jemals aufzugeben.

Wo aber der missionarische Kernauftrag sich mit einer Vielfalt kultureller und gesellschaftlicher Vorgaben auseinanderzusetzen hat, gibt es immer auch eine recht bunte Palette unterschiedlicher Prägungen in der Art und Weise, wie der Missionsgedanke geschichtlich verwirklicht wird. Treffsichere Beispiele dafür sind die Fotos und Texte der vorliegenden Veröffentlichung. Manches mag vielleicht im ersten Moment sogar etwas beunruhigend wirken, weil Wachstum und Wandel bisweilen Gewohntes an Formen und Formeln in Frage stellen. Aber echtes Christentum ist von göttlichem Leben durchpulst und als etwas Lebendiges kann und muss es seine Sendung wahrnehmen, immer wieder von Neuem einer sich laufend ändernden Welt vom Geschenk des eigenen Lebens mitzuteilen, „damit die Menschen Leben in Fülle haben“.

Wie die Zukunft der Missionsarbeit sich konkret gestalten wird, kann niemand bis ins Detail voraussagen. Doch ein paar Einzelheiten erscheinen als sicher, aber nur eine davon sei hier kurz erwähnt: Missionarische Situationen wird es bald überall geben, auch in den so genannten traditionell christlichen Ländern mit jahrhundertealten kirchlichen Strukturen. In den noch unlängst als klassisch geltenden Missionsgebieten, die inzwischen zu eigenständigen jungen Kirchen ausgereift sind oder sich auf bestem Wege dazu befinden, wird der ausländische Missionar eine Ausnahme sein und wahrscheinlich eine „Nebenrolle“ spielen bzw. nur Spezialfunktionen ausüben. Europa wird – bildlich gesprochen – mehr und mehr an den Rand der christlichen Weltkarte gedrückt. Die Steyler Missionare sind dafür ein klares Beispiel: Während die europäischen Mitbrüder immer weniger werden, wächst die Zahl junger Missionare aus Asien und Afrika verhältnismäßig rasch. Am Ziel ihres Einsatzes ändert sich nichts: allen Menschen soll das Evangelium verkündet werden. Für die SVD wie für die Kirche überhaupt bedeutet das: die Weltmission geht weiter.

Seite im Heft 1