Vorwort

Die Steyler Missionschronik 2017 befasst sich schwerpunktmäßig mit Korea, einem Arbeitsgebiet der Steyler Missionare und Missionsschwestern in einem recht ungewohnten Umfeld, in dem sie vorwiegend für Migranten, ausländische Arbeitnehmer oder obdachlose Frauen seelsorglich tätig werden.

Christian Tauchner SVD

Die Morgenröte zeigt uns die Welt in einem anderen Licht, wärmer, angenehmer, vielversprechend. Korea, das „Land der Morgenröte“, stellt sich in dieser Steyler Missionschronik als ein Arbeitsgebiet der Steyler Missionare und Missionsschwestern in einem recht ungewohnten Umfeld vor.
Südkorea ist in wenigen Jahrzehnten zu einem hochentwickelten und technikorientierten Land geworden. Die größere Freiheit dieser Jahre und besonders die demokratische Öffnung nach der Diktatur haben auch zu einer großen Blüte der Kirchen geführt. Die katholischen Bischöfe dort haben im Moment so viele Priester, dass sie wenig Interesse an einer Missionsgesellschaft aus dem Ausland haben – die Steyler werden nicht „gebraucht“ für die Seelsorge etwa in den Pfarreien.

Allerdings bezahlt auch die koreanische Gesellschaft ihren Preis für die rasante wirtschaftliche Entwicklung – oder besser gesagt: auch sie bringt ihre Opfer für diesen Fortschritt: Menschen werden ausgebeutet und am Rand der Gesellschaft gehalten oder werden einfach aufgegeben, wenn sie verwirrt und krank sind. Die Steyler sehen daher in den Migranten und ausländischen Arbeitern oder in obdachlos gewordenen Frauen Menschen und soziale Gruppen, denen sie dienen und mit denen sie arbeiten wollen – mit allen damit verbundenen Problemen.
Was jedem Besucher Koreas wahrscheinlich sofort auffällt, ist die ungemein ausgefeilte Höflichkeit und Freundlichkeit der Koreaner. Dem verwirrten Touristen im komplexen U-Bahn-System Seouls beispielsweise helfen sie gern und erläutern eventuell noch, dass man seinerzeit bei einem Besuch in Europa „Deutschland recht rückständig“ fand, was digitale Kommunikation und elektronische Fortschrittlichkeit angeht. Beeindruckend fand ich auch die Religiosität der Koreaner: ob in buddhistischen Tempeln oder katholischen Kirchen, in Schreinen oder pentekostalen Megakirchen – Religion hat bei vielen Menschen einen festen Platz in ihrem Alltag. Das Stadtbild Seouls ist geprägt von Kreuzen auf Kirchtürmen und Hochhäusern – je nach christlicher Denomination in allen möglichen Farben und Reklametechniken.

Beeindruckend ist auch die Geschichte der koreanischen Kirche: Das Bedürfnis nach Wissenschaft und gutem Leben brachte Koreaner seit dem 17. Jahrhundert dazu, sich eigenständig nach neuen Angeboten umzusehen, und sie entdeckten dabei fast „zufällig“ das Christentum. Die ersten Christen organisierten sich in ihren Gemeinden in Korea selbst und feierten ihren Glauben so gut sie konnten und wie sie es für notwendig erachteten – vielleicht eine Anregung für uns bei unseren Schwierigkeiten, das Glaubensleben angemessen zu organisieren. Erst Jahrzehnte später kamen Missionare und „offizielle“ Vertreter der Kirche mit diesen Gemeinden in Kontakt – Gott und Glaube waren schon lange dort, als die kirchliche Mission ankam. Die Kirche kam allerdings in einer verwirrenden Situation nach Korea, in der der christliche Glaube mit dem abendländischen Imperialismus vermischt erschien und blutige Christenverfolgungen die fast notwendige Konsequenz waren.

Heute versuchen die Steyler Missionare und Missionsschwestern, ihr Engagement in Südkorea auszuweiten – selber irgendwie marginalisiert in ihrer Arbeit mit Marginalisierten.

Eine besondere Weise von Marginalisierung betrifft Häftlinge in Brasilien, mit denen die Steyler Schwester Nelly Boonen daran arbeitet, zu einer Gerechtigkeit vorzudringen, die die Gefangenen nicht noch mehr ausgrenzt, sondern ihre verletzte Menschlichkeit wiederherstellen und sie in die Gesellschaft und Gemeinschaft eingliedern will.

Schließlich blickt eine Steyler Gemeinschaft in Deutschland auf eine 100-jährige Geschichte zurück: In Tirschenreuth in der Oberpfalz boten die Steyler Missionare im Missionshaus St. Peter ein Ausbildungszentrum an, heute stellen sich der Gemeinschaft neue missionarische Herausforderungen in der Pastoral.
Ich hoffe, es gelingt uns, Ihnen mit der Steyler Missionschronik 2017 ein Arbeitsgebiet der Steyler Missionare und Missionsschwestern vorzustellen, das nicht nur im Zeichen des charmanten Lächelns der Morgenröte Koreas steht, sondern dort auch im Gegenwind von Säkularisierung, Modernität und technologischer Hochentwicklung das Engagement für das Reich Gottes durchhält. Gleichzeitig danken wir unseren Wohltätern und Freunden mit dieser Missionschronik für ihren Einsatz, ihr Gebet und ihre Unterstützung.

Seite im Heft 7f.

 
MC-Titel 2017