Vorwort MC 2019

Die Steyler Missionschronik 2019 behandelt schwerpunktmäßig die vielfältige Arbeit der Steyler Missionare und Missionsschwestern in Mexiko.

Christian Tauchner SVD

Vorwort

Mexiko steht immer wieder in den Schlagzeilen. Leider, möchte man sagen. Denn meist geht es nicht um Acapulco und Cancún oder das geschmackvoll scharfe Essen oder die kulturellen Reichtümer, sondern um die Gewalt und Korruption, unter denen Mexiko leidet, oder um den Klimawandel und den unermesslichen Smog der Städte. Mexiko ist zu einem der schlimmsten Schauplätze für Drogenhandel und Bandenkriege geworden, denen in den letzten Jahren Zigtausende Menschen zum Opfer gefallen sind. Mexiko ist auch ein Durchzugsland für Tausende Migranten, die vor noch schlimmeren Situationen in ihren Herkunftsländern fliehen und die Gewalt und Aussichtslosigkeit dort satt haben. Oder die von anderen Lebensmöglichkeiten träumen und ihre Hoffnung wahr machen wollen und an der schändlichen Mauer des unangenehmen Nachbarn im Norden zerschellen. Da sticht dann Mexiko mit einer großartigen Haltung der Zentralregierung hervor, die in höchst bewundernswerter Weise erklärte: Wir werden diese Migranten als Menschen behandeln und ihnen einen Ausweis geben, damit sie durch unser Land ziehen können. Was als eine fundamental menschliche Haltung gemeint war, stellte sich relativ bald als ein politischer Fehler heraus, denn mit diesen Aussichten nahmen der Flüchtlingsstrom und die politischen Repressalien der USA sofort noch einmal zu.
Turbulente Situationen sind in Mexiko allerdings nichts Neues. 2019 sind es gerade 500 Jahre, seit dort Banden einfielen und nach Reichtum und Macht gierten – mit der Ankunft von Hernán Cortés, einem halbgebildeten Rechtsanwalt und Möchtegern-Eroberer, der in der Karibik nicht genug bekam, begann eine Zeit sagenhafter Umwälzungen, die alle Beteiligten letztlich nicht verstehen konnten: Cortés war schlau genug, um die internen Streitereien und Rachegelüste der von den Azteken unterdrückten Völker auszunutzen und Verbündete für seinen Eroberungszug nach Tenochtitlán zu finden. Nur so war es ihm möglich, überhaupt voranzukommen und zu überleben. Für den Aztekenherrscher Moctezuma blieben die Zweifel bestimmend, ob mit diesen Fremden nicht doch die Götter – endlich – zurückgekommen waren und man sich ihnen gegenüber deshalb nicht „normal“ verhalten dürfe – also sie mit einem Streich auslöschen sollte, wie seine Ratgeber und Generäle immer wieder forderten –, sondern ihnen das Reich zurückgeben müsste; es war schließlich Cortés, der es an sich riss.
Diese 500 Jahre jetzt und meine Faszination von der Jungfrau von Guadalupe gehören zu den Gründen, Ihnen in dieser Steyler Missionschronik das Land und die Arbeit der Steyler Missionare und Missionsschwestern dort vorzustellen. Die Jungfrau von Guadalupe erschien in einer eigenartigen und letztlich befremdlichen Art bald nach der Zerstörung der Aztekenhauptstadt ganz auf der „falschen“ Seite: als Indigene, lebensverheißend, wertschätzend im Umgang mit einem der todgeweihten Indios, in seiner Sprache und Kultur. Diese „Option für die Armen“ prägt Mexiko seit fünf Jahrhunderten.
Diese Option für die Armen prägt auch das Engagement der Steyler Missionare und Schwestern in Mexiko. Wie die Guadalupe stellen auch sie sich oft auf die „falsche“ Seite in Kirche und Gesellschaft. Sie arbeiten beispielsweise seit vielen Jahren in Chiapas, einer der „heißen Gegenden“ Mexikos. Tatsächlich sind dort die Temperaturen heiß und immer heißer, aber auch die Situationen von Ausgrenzung und Verachtung der Kulturen und Lebensweisen der Indigenen sind dort besonders eklatant. Die Kirche von San Cristóbal de Las Casas hat sich in einer prophetischen Haltung auf die Seite dieser Menschen geschlagen – und prompt wurde auch sie von allen Seiten verfolgt. Die Steyler bekamen ihren Teil davon ab, sowohl von den Schwierigkeiten wie auch von der Gnade, in einer solchen Kirche mitzuarbeiten. Ein Beispiel dafür ist ihr Engagement für die durchziehenden Migranten. Sie betreuen eine Herberge, direkt vor dem Eingang rattert der berüchtigte Zug „La Bestia“ vorbei und reißt Lebensschicksale mit sich. Wer sich für die Migranten einsetzt, ist vor Bedrohungen nicht gefeit und muss ein gerüttelt Maß an Ohnmacht und Ausgeliefertsein ertragen.
Ich erlebte in meinen Mitbrüdern und den Schwestern Menschen mit einem tiefen Sinn für Religion und einer Frömmigkeit, die mir teilweise nicht ganz zugänglich ist – wie vielleicht auch Sie in manchen Texten dieser Steyler Missionschronik sehen werden –, die sie aber zu ihrem missionarischen Dienst und Leben motiviert.
Die Steyler Missionsschwestern widmen sich in ähnlicher Weise verletzlichen Gruppen der mexikanischen Gesellschaft. Die Arbeit in einem Kindergarten in Oaxaca steht als ein Beispiel dafür, aber sie ist nicht weniger herausfordernd in den Landpfarreien des Bundesstaates Oaxaca oder in der Hauptstadt.
Mitleiden, Ohnmacht und Probleme sind aber nur die eine Seite der Medaille. Die Steyler erfahren ihr missionarisches Engagement mit Indigenen und benachteiligten Menschen, ihren Dienst in Pastoral, Bibelarbeit und Ausbildung als Erfüllung und Gnade Gottes.
Beispiele solcher Gnaden sind auch die Jubiläen, von denen die Steyler Missionschronik berichtet: Seit 50 Jahren funktioniert das Melanesian Institute in Papua-Neuguinea – ein mexikanischer Missionar berichtet darüber – und vor 100 Jahren gründeten die Steyler Missionare im damaligen Ostpreußen das Ausbildungszentrum St. Adalbert in Mehlsack (heute Pieniężno).
Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Engagement, Ihre Unterstützung und Ihr Gebet für die Missionsanliegen der Steyler Missionare. Möglicherweise haben ja auch Sie manche Schwierigkeiten in Ihrem Leben. Dazu möchte ich Ihnen weitergeben, was die Guadalupe dem Juan Diego sagte:
„Höre, nimm es in dein Herz, mein kleinster Sohn, nichts soll dich erschrecken, nichts dich bekümmern, nicht soll sich dein Antlitz, dein Herz betrüben … Bin ich denn nicht hier, deine Mutter? Bist du denn nicht in meinem Schatten und in meinem Schutz? Bin ich nicht der Brunnen deiner Freude? Bist du nicht in den Falten meines Mantels, in der Beuge meiner Arme? Brauchst du noch mehr als das?“ Juan Diego, als er das gütige Wort, den gütigen Hauch der Königin des Himmels hörte, war davon sehr getröstet, sein Herz war wohl davon beruhigt …

Seite im Heft 7f.

 
Cover MC 2019