Vorwort Steyler Missionschronik 2020

Die Steyler Missionschronik berichtet von Arbeiten der Steyler Missionare auf den Philippinen in der Ausbildung, in der Evangelisierung und vor allem unter den aktuellen Bedingungen des Terrorregimes unter Präsident Duterte.

Christian Tauchner SVD

Vor 500 Jahren wurde die Welt etwas runder: Wagemutigen und geschäftstüchtigen Seefahrern gelang es, immer weiter nach Westen zu segeln, um Amerika herum und dann über den weiten Pazifik, bis sie im April in einem Inselreich ankamen, das bald nach dem spanischen Thronfolger Philipp benannt wurde. Nicht weit davon entfernt hätten sie mit den Portugiesen und Holländern zusammentreffen können, die um Afrika herum nach Osten gesegelt und bis nach Indonesien gekommen waren. In der Kolonie des spanischen Weltreichs wurde ein halbes Jahrhundert später die systematische Bekehrung durchgeführt und so kommt es, dass heute die Philippinen in Asien eine religiöse Ausnahmeerscheinung sind: Vier Fünftel der 106 Millionen Filipinos bezeichnen sich als Christen – die drittgrößte katholische Bevölkerung weltweit (nach Brasilien und Mexiko).
Die religiös recht offenen und interessierten Bevölkerungsgruppen auf den Philippinen entwickelten ihre eigenen Formen von Volksreligion. Das „Santo Niño“ spielt dabei eine herausragende Rolle, aber natürlich auch die Jungfrau Maria und viel Heiligenverehrung.
Ein Brauch, der gut mit christlichen Vorstellungen von Zusammenarbeit, Gemeinschaft und Solidarität zusammenpasst, heißt Bayanihan; der Umschlag dieser Steyler Missionschronik zeigt eine künstlerische Darstellung davon. Er leitet sich vom philippinischen Wort „bayan“ ab, das Nation, Stadt oder Gemeinde bedeutet. Es geht darum, „in einem bayan zu sein“ und im Geist der gemeinschaftlichen Einheit, Arbeit und Zusammenarbeit zur Erreichung eines bestimmten Ziels zu leben. Beim Bayanihan helfen alle im Dorf zusammen, wenn eine Familie ihr Haus an einem anderen Ort aufstellen muss, weil eine Überschwemmung oder ein Erdrutsch droht. Die Männer schieben dann Bambusstangen unter das Haus und tragen es gemeinsam an einen neuen Platz. Der Bayanihan-Geist drückt die Eigenart der Filipinos aus, sich gegenseitig zu helfen, besonders in Zeiten der Not, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Seit 1909 arbeiten die Steyler Missionare auf den Philippinen, heute gehören 500 Filipinos zur Kongregation – die drittgrößte Gruppe nach Herkunft. Sie engagieren sich in vielen Ländern der Welt in ihrer Mission. Auf den Philippinen widmen sie sich in drei Ordensprovinzen vor allem der Ausbildung, der Seelsorge in Pfarreien, Schulen auf allen Ebenen bis hin zu mehreren Universitäten und spezifischen Apostolaten, z. B. mit den Indigenen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen auf dem Land und in den Städten. Auf den Philippinen gibt es auch Steyler Missionsschwestern und sechs Klöster der Steyler Anbetungsschwestern.
Nicht so rund läuft es in diesen Jahren auf den Philippinen, was Menschenrechte und -würde angeht. Der 2016 wegen seiner Versprechen, die Drogenmafia, die Gewalttätigkeit und die Korruption zu bekämpfen, gewählte Präsident Rodrigo Duterte hat inzwischen unter dem Deckmantel des Kriegs gegen die Drogen ein Terrorregime errichtet, in dem zahlreiche Menschen von staatlichen Sicherheitsorganen ermordet wurden. Auch die Steyler Missionare sind in ihrer Arbeit davon betroffen und besonders gefährlich wird es für diejenigen, die sich für Obdachlose, Haftentlassene und „Arme“ aller Art einsetzen – in dieser Steyler Missionschronik deuten einige von ihnen an, unter welchen Umständen sie ihrer Mission nachgehen.
Weitere Beiträge der Steyler Missionschronik berichten von Arbeiten philippinischer Steyler in Deutschland, es geht um ein Symposium anlässlich des 50. Gründungstags der theologischen Fakultät in Ledalero (Indonesien) und um den Einsatz von MissionarInnen in Ghana. Schließlich bekommen wir noch den „Schneemenschen“ zu Gesicht: Der Steyler Missionar und Arzt Franz X. Eichinger begegnete ihm vor 70 Jahren, als er in den Bergen Nordwestchinas eine Gruppe von Nomaden medizinisch betreute – ein Beispiel einer ganzheitlichen Mission, in der es um offene Augen und Lernbereitschaft ging, ganz wie sich Mission ja auch heute versteht.
Der philippinische Brauch des Bayanihan ist vielleicht auch ein Symbol für das weltweite Engagement in der Mission: Ich bedanke mich bei Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser, für Ihr Interesse an anderen Menschen und Kulturen, für Ihr Mittragen und Mitbeten. Wenn die Gemeinschaft zusammenhält und die Not sieht, kann sie ein bedrohtes Haus an einen sicheren Ort tragen – eines nach dem anderen, wenn nötig. Ich hoffe, dass die Geschichten und Bilder dieser Steyler Missionschronik Sie darin bestärken, sich von gemeinsamen Anliegen tragen zu lassen und sie mitzutragen.

Seite im Heft 7f.

 
Cover MC 2020