Editorial / Vorwort

Die vorliegende Doppelnummer des Verbum SVD lädt erneut zu einem Blick in die Missionsgeschichte ein. Zwei Beispiele aus den Philippinen und jeweils eines aus Lateinamerika und Australien weisen auf historische missionarische Situationen und Herausforderungen hin – Überlegungen zu Kontexten und zum Missionspersonal wollen den Blick auch für die missionarische Gegenwart schärfen.

Martin Ueffing SVD in: Verbum SVD 1-2/2011

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt schreibt: „… Ich war und bin mir auch heute darüber im Klaren, dass viele Menschen in ihrem christlichen Glauben Halt finden. Ich habe Gläubige zeit meines Lebens immer respektiert, gleich welcher Religion sie anhängen. Aber ebenso habe ich religiöse Toleranz immer für unerlässlich gehalten. Deshalb habe ich die christliche Mission gegenüber Andersgläubigen stets als Verstoß gegen die Menschlichkeit empfunden. Wenn ein Mensch in seiner Religion Halt und Geborgenheit gefunden hat, dann hat keiner das Recht, diesen Menschen von seiner Religion abzubringen.

Wenn aber ein Christ, ein Muslim, ein Hindu oder auch ein Jude seine Religion zum Vorwand für seinen Kampf um Macht, für Eroberung und Unterwerfung nimmt, oder wenn er sich einbildet, allein seine Religion sei von Gott offenbart und gesegnet und deshalb sei es seine Pflicht, sie zum Sieg über andere Religionen zu führen, dann verstößt er gegen die Würde und die Freiheit des Andersgläubigen – er ist deshalb ein böser Mitmensch. Jeder Mensch muss jedem anderen Menschen seinen Glauben und seine Religion lassen. Er muss ihm auch seinen Unglauben lassen. Die Menschheit hat religiöse Toleranz nötig, deshalb hat jeder Einzelne religiöse Toleranz nötig …“ (H. Schmidt, Religion in der Verantwortung, Berlin 2011, 15).

Das Thema Mission ist hier direkt aufgegriffen und ein Blick in die christliche Missionsgeschichte wird leicht Belege dafür liefern, dass sowohl Missionsideen wie auch die missionarische Praxis von Christentum und Kirche häufig gegen Toleranz, Respekt usw. verstoßen haben. Aber bei aller Bedeutung der Geschichte sollte die Gegenwart nicht vernachlässigt werden. Und hier lässt sich konstatieren, dass sowohl Missionsideen wie auch die missionarische Praxis sich wesentlich verändert haben. Religionsfreiheit, Respekt und Toleranz sind wesentliche Grundlagen gegenwärtiger Missionsverständnisse. Dialog wird immer wieder als missionarische Grundhaltung unterstrichen. Eine Rückbesinnung auf die biblischen Grundlagen und ein neues Verständnis der Mission Jesu haben auch zu einer Neuorientierung in der missionarischen Praxis geführt. Viel mehr als gegen die Menschlichkeit zu verstoßen geht es bei Mission heute um einen Beitrag zu mehr Menschlichkeit.

Die vorliegende Doppelnummer des Verbum SVD lädt erneut zu einem Blick in die Missionsgeschichte ein. Zwei Beispiele aus den Philippinen und jeweils eines aus Lateinamerika und Australien weisen auf historische missionarische Situationen und Herausforderungen hin – Überlegungen zu Kontexten und zum Missionspersonal wollen den Blick auch für die missionarische Gegenwart schärfen. Zudem stellen wir zwei Werke von historischer Bedeutung ausführlich dar: Karl Josef Rivinius’ Biographie des Steyler Missionars Johann Baptist Anzer, der zusammen mit Josef Freinademetz nach China ausreiste, sowie Ralph Wiltgens zweiten Band über die Gründung der katholischen Kirche in Melanesien und Mikronesien.

 

Former German Chancellor Helmut Schmidt writes: “... I was and am now aware that many people find strength in their Christian faith. I have respected the faithful of whatever religion all my life. But I also have always considered religious tolerance as essential. Therefore, Christian mission towards believers of other religions has always seemed a violation of humanity. If someone has found support and protection in his religion, no one has the right to convert this person to another religion.

But when a Christian, a Muslim, a Hindu or a Jew takes his religion as a pretext for his struggle for power, for conquest and subjugation, or when he imagines that only his religion is revealed by God and blessed and comes to the conclusion that it is his duty to lead his own religion to victory over other religions, he violates the dignity and freedom of people of other religions – and he is therefore not a good fellow human being. Each person has to leave any other person’s faith and religion alone. He must also leave his disbelief alone. Humanity is in need of religious tolerance, therefore each individual person needs religious tolerance...” (H. Schmidt, Religion in der Verantwortung, Berlin 2011, 15).

The theme of mission is addressed directly here, and Christian mission history easily provides evidence that both mission ideas as well as the missionary practice of Christianity and the Church often failed to tolerate, respect, etc. others. But however important the historical perspective may be, this present time should not be neglected. And here we can say that both mission ideas as well as the missionary practice have changed significantly. Religious freedom, respect and tolerance are essential for current understandings of mission. Dialogue is emphasized again and again as a missionary attitude. A return to biblical principles and a new understanding of the mission of Jesus have also led to a reorientation in missionary practice. Much more than being a violation of humanity, mission today contributes to a more humane world.

The present double issue of Verbum SVD is an invitation to take a look at the history of mission again. Two examples from the Philippines and one each from Latin America and Australia present historic missionary situations and challenges. Reflections on earlier contexts and people in mission may allow us to see mission today more clearly. In addition, we present at length two monographs of historical significance: Karl Josef Rivinius’ work on the Divine Word Missionary Johann Baptist Anzer who went to China together with Joseph Freinademetz, and Ralph Wiltgen’s second volume on the founding of the Catholic Church in Melanesia and Micronesia. 

Seite im Heft 5