Editorial / Vorwort

Vorwort zu Heft 1-2/2019 von "Verbum SVD".

Christian Tauchner SVD

VORWORT

Eine hohe und heilige Aufgabe

Das Ziel der Mission ist es, Jesus nachzufolgen und all die Dinge zu tun, die er uns gelehrt hat. Deswegen schließt die Missionstätigkeit unter anderem Verkündigung, Weitergabe des Glaubens, Wohltätigkeit, Gerechtigkeit, interreligiösen Dialog, Ökumenismus, Frieden, Gemeinwohl und Bewahrung der Schöpfung ein. All diese Tätigkeiten drücken Liebe und Nähe aus. So sieht Papst Franziskus die Mission im Wesentlichen, fasst William Gregory in einem sehr feinen Überblick die Evangelisierungsperspektive des Papstes zusammen.
Beim Ausrufen des Oktober 2019 als einen Monat mit besonderer Hingabe an die Mission und das Teilen der Freude am Evangelium bezieht sich Papst Franziskus auf die Enzyklika Papst Benedikts XV. Maximum illud vor hundert Jahren, ein herausragendes Dokument von grade einmal gut zehn Seiten – grundlegend und radikal zu seiner Zeit, weithin vergessen in der Zwischenzeit und heutzutage sicherlich etwas überholt wegen des frischen Windes, den das II. Vatikanische Konzil mit sich brachte und den theologischen und missionarischen Entwicklungen seither.
Die Missionsbewegung des 19. Jahrhunderts artikulierte sich weitgehend in kolonialen Kontexten. Ihre Verwicklung mit den aussendenden Nationen und deren nationalistischen Perspektiven war für viele Missionare schon damals, auf dem Höhepunkt dieser Missionsbewegung, durchaus problematisch geworden. Mit der Katastrophe des I. Weltkriegs wurde der kolonialistischen und nationalistischen Evangelisierungsweise ein brutales Ende bereitet. In diesem Zusammenhang war es wahrscheinlich wichtig und befreiend, den Ruf des Papstes zu hören, die Mission als eine Angelegenheit der Gesamtkirche zu verstehen. Seine Anstrengungen, die Mission als eine Aufgabe der Kirche mit Rom im Zentrum zentral zu strukturieren, befreite die Mission von einer Menge nationalistischer und kulturimperialistischer Verstrickungen. Schon Benedikt XV. setzte sich nicht mehr selbst als König der Missionen, sondern stellte die Mission in die Heilsdynamik Jesu Christi: „Kurz bevor unser Herr Jesus Christus zu seinem Vater zurückkehrte“, beginnt Maximum illud: Mission steht nicht mehr im Dienst der Ausbreitung einer Nation oder eines weltlichen Reiches, sondern sie hat die Aufgabe, das Reich Gottes auszubreiten.
In der Zeit seither wurde besonders durch Ad gentes des II. Vatikanischen Konzils die Zentralität Gottes und der Dreifaltigkeit zur Basis und Begründung der Mission: „Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch (d. h. als Gesandte unterwegs), da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters“ (AG 2, mit Referenz auf LG 1). Die Folgerungen aus dieser Einsicht sind weitreichend sowohl für die Missionstheologie wie auch für ihre praktische Umsetzung. In den Vorschlägen zum Missionsmonat Oktober 2019 wird die Mission so dargestellt:
Mission ist mehr als etwas, das nur die Kirche tut, sie ist eine actio Dei, ein göttliches Tun, denn Gott, in Jesus Christus und im Heiligen Geist, ist der erste Missionar – Gott „geht aus sich selber heraus“ im Senden und Gesandtwerden. Folglich können wir sagen, dass die missiones ecclesiae der missio Dei nachfolgen, ihr untergeordnet und eine Teilnahme an ihr sind. Die Missionstätigkeit der Kirche ist echt und sinnvoll nur insofern, als sie teilnimmt an der Fortsetzung und Erneuerung der innergöttlichen processiones in der Geschichte, als die Verlängerung und Entwicklung der Selbstmitteilung ad intra und ad extra des dreifaltigen Gottes in Raum und Zeit. Als das Hervortreten des Reiches Gottes kommt der Kirche eine prophetische und sakramentale Rolle zu, aber sie kann nie identisch mit der missio Dei sein oder sie ersetzen.
Während diese theologischen Sichtweisen der Mission inzwischen durchaus angenommen sind (die Steyler Missionare beispielsweise haben diese Auffassung von einer Teilnahme an der missio Dei im Generalkapitel im Jahr 2000 zu ihrem Grundverständnis gemacht), stehen für die Missionstätigkeit und die Animation dazu immer noch weitgehend ältere Motivationen für Handeln und Engagement im Vordergrund.
Für das Verbum SVD ist die Jahrhundertfeier von Maximum illud und die Bezugnahme von Papst Franziskus darauf eine selbstverständliche Anregung, sich diesem Text zuzuwenden: Der Steyler Historiker Andrzej Miotk stellt die Enzyklika in ihrem Geschichtshorizont vor. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit Anregungen von Maximum illud. Darüber hinaus könnte man sich mit vielen anderen Themen beschäftigen, die die Enzyklika vorschlägt und die interes-sante Fragestellungen auch für heute ermöglichen:
– mit Ablehnung nationalistischer Perspektiven: Was heißt dann Interkulturalität und der Wert der eigenen kulturellen Tradition in einem anderen Kontext? Wie sieht es mit dem Engagement mit muttersprachlichen Gemeinden aus (Gerald Tanye SVD beschreibt die Anforderungen, auf die Bedürfnisse der philippinischen und deutschen Gemeinde in einer Pfarrei einzugehen, als ein Beispiel)?
– was bedeutet die Forderung von Maximum illud, die Lokalsprache möglichst gut zu beherrschen?
– wie sieht es damit aus, „nur die Besten“ in „die Mission“ zu senden?
Nun geht es allerdings bei der Relektüre von Maximum illud nicht um eine Übung und Auseinandersetzung mit der Geschichte. Es zahlt sich aus, auf diese Sichtweisen von vor einem Jahrhundert einzugehen, aber für uns heute liegt die wirkliche Herausforderung in der Jüngerschaft und im Mitteilen der Freude – um einen zentralen Begriff der Sicht von Papst Franziskus auf christliches Leben und Evangelisierung aufzugreifen. In franziskanischer Sprechweise geht es um diese Aufgabe:
Mission, Evangelisierung, Pastoral und Weitergabe des Glaubens – das alles ist für franziskanische Menschen nicht an erster Stelle Expansion (räumliche Ausdehnung der Kirche), sondern Relation (Aufbau und Kultur von heilsamen Beziehungen). In Freundschaft, Vertrauen und Freude am Anderssein des Anderen „bringen“ sie in erster Linie nicht etwas, nicht sich selber und ihre religi-öse und kulturelle Identität. Sie „bringen“ vielmehr die Einladung, miteinander in Beziehung zu treten, um ge-meinsam Spuren des Geistes Gottes zu benennen.
Weit hinaus über und ganz anders als ein „missionarisches“ Auf-treten in Werbeshows und in marketinggesteuerten Predigtevents, um die Kirche wiederherzustellen und leere Kirchenbänke zu füllen, ist ein solches Sich-Fügen von Jüngerinnen und Jüngern in die Be-wegung des Geistes tatsächlich „eine hohe und heilige Aufgabe“.

Seite im Heft 5ff.