Die Steyler Missionschronik 2018 widmet sich dem Thema der Menschenrechte und der weltweiten Missionsarbeit der SVD.
Endlich Wasser! Im Dorf Kabongo in der trockenen Steppe im Norden Togos war das Wasserholen immer eine mühselige und jedes Jahr immer noch schwierigere Arbeit. Und eine Aufgabe, die vor allem von den Frauen und Kindern geleistet werden musste.
Jetzt war endlich ein Brunnen da. Gemeinsam hatten sie ihn im Dorf gebaut, mitten in Kabongo. Für dieses Projekt hatten sogar die muslimische Mehrheit und die paar christlichen Familien zusammengearbeitet – der Durst betrifft alle gleich. Den ersten Kübel mit Wasser aus dem Dorfbrunnen schöpften der ehrwürdige Imam Ibrahim und der Pfarrer Marsel Arjon SVD gemeinsam. Natürlich entwickelte sich ein Fest aus dem Wasserschöpfen, die ganze Gemeinschaft tanzte, die Mädchen und Frauen in ihren herrlichen Tüchern und Kleidern, und auch Pater Arjon fügte sich in den „Kinatchung“-Tanz ein.
Der leichtere Zugang zu Wasser macht das Leben nicht nur angenehmer, sondern auch fröhlicher und lebenswerter. Es hat etwas mit Menschenwürde zu tun und Zugang zu sauberem Wasser gehört auch zu den Menschenrechten – in weiten Teilen der Welt leider gar nicht so selbstverständlich, wie wir in Mitteleuropa vielleicht glauben möchten. Das Engagement für Brunnenbauten und Wasserleitungen gehört daher „selbstverständlich“ zur Missionsarbeit, ist Teil der Evangelisierung. Da muss gar nicht viel mehr geredet werden, es reicht, wenn das Wasser fließt.
Aber das ist vielleicht doch nicht die ganze Wahrheit. Im Hintergrund solcher Anstrengungen für Entwicklungsarbeit steht für die Missionare und JüngerInnen Jesu nämlich eine Grundwahrheit, von der sie oft gar nicht viel reden müssen: Jeder Mensch ist ein geheiligtes Wesen, ist von Gott geliebt. Deswegen ist es in gewisser Weise auch selbstverständlich, anderen Menschen zu helfen, wenn sie in Not sind, und mit ihnen zu teilen. Weil jeder Mensch von dieser Heiligkeit charakterisiert ist und daher immer schon in den Bereich Gottes gehört, bekommt es überhaupt erst Sinn, das Evangelium zu verkünden und Mission zu betreiben: einzuladen Gott anzuerkennen, sich an ihm zu freuen, ihm zu danken, für ihn zu tanzen, wie es die Muslime und Katholiken in Kabongo mit ihrem Begleiter Pater Arjon gemacht haben und es ungezählte neue Gemeinschaften auf der ganzen Welt in ihren eigenen Kulturen und Gebräuchen tun.
Heiligkeit, Menschenwürde und folglich Menschenrechte gehören zusammen. Daher besteht auch eine enge Beziehung zwischen Evangelisierung – Mission und Gerechtigkeit. Bei den Steyler Missionaren heißt es, dass es zu einer wesentlichen Dimension der Missionsarbeit gehört, sie in der Perspektive von „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ zu leisten. Gerechtigkeit nicht als ein verbissener Klassenkampf oder Rachefeldzug oder die strikte Einhaltung der Gesetze; sie steht in einem ganz anderen Kontext: „Gerechtigkeit und Friede küssen sich“, heißt es in einem Psalm, in biblischer Perspektive ist offenbar die Rede von Liebe, Sympathie und Freiheit. Für diese Ausgabe unserer Steyler Missionschronik hat der Steyler Missionar Othmar Jessberger ein Bild davon gemalt und viele Vorbilder, Vorkämpfer und Beispiele – sogar Heilige? – darin festgehalten. Die Geschichten und Bilder dieser Missionschronik berichten von den Arbeiten der Steyler Missionare und der Evangelisierung in verschiedenen Bereichen und Gegenden der Welt. Meist unausgesprochen steht dahinter auch ein Engagement für Menschenrechte, für Gerechtigkeit und Frieden, für Menschenwürde und für ein menschenwürdiges Leben. Nicht zuletzt zeigt sich das in vielen Bildern, die uns Herr Wolfgang Barth dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat und von seinem eigenen Interesse an Indonesien und den Menschen dort vielfarbig Zeugnis ablegen.
In dieser Missionschronik widmen wir uns auch den beiden Steyler Heiligen: Im Januar waren es 110 Jahre seit dem frühen Tod von Josef Freinademetz in China, im nächsten Januar sind es 110 Jahre, dass der Gründer der Steyler Missionare Arnold Janssen gestorben ist. Auf ihre Weise und in ihren Kontexten sind beide immer noch und immer wieder neu eine Anregung, auch in unseren Tagen. Und eine Anregung für unsere eigene Gemeindepraxis und christliches Leben können auch viele andere Berichte geben.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme und anregende Lektüre dieser Steyler Missionschronik. Ich würde mich freuen, wenn Sie beim Lesen nicht nur mit Ihrem Wissensdurst auf Ihre Rechnung kämen, sondern Sie noch mehr Interesse an Evangelisierung, an Gerechtigkeit und Frieden, an der Würde und Heiligkeit aller Menschen bekämen. Mit dieser Chronik danken wir Ihnen auch für Ihre Solidarität, Ihr Gebet und Ihre Unterstützung der Steyler Missionare.
Seite im Heft 7f.