Vorwort zu Verbum SVD 64.3-4/2023
Ermutigung für Theologen
Im Laufe ihrer Ausbildung entscheiden sich die meisten Steyler Missionare dafür, Priester zu werden – das ist wahrscheinlich in vielen anderen Kongregationen ähnlich. Diese Entscheidung impliziert, dass sie Theologie studieren, und normalerweise wird verlangt, dass sie diese Ausbildung mit einem akademischen Titel abschließen. Interessant ist jedoch, dass sie, wenn man sie nach ihrem Beruf fragt, oft nicht angeben: „Ich bin Theologe“ – was aufgrund ihres Universitäts- oder Fakultätsabschlusses offensichtlich zu erwarten wäre. Möglicherweise widmen sich viele von ihnen eher anderen Tätigkeiten als ihrem Berufsfeld als Theologen.
Am 1. November 2023 veröffentlichte Papst Franziskus ein Motu Proprio über die theologische Profession: Ad promovendam theologiam – zur Förderung der Theologie. Der Text ist auf der Website des Vatikans nur auf Italienisch und Latein verfügbar, die Übersetzungen in andere Sprachen sind noch vorläufig. Zweck von Ad promovendam theologiam ist die Genehmigung und Verlautbarung neuer Statuten für die Päpstliche Theologische Akademie im Vatikan. Trotzdem bietet das Motu Proprio eine Menge interessanter Ansichten über den Charakter und die Aufgaben der Theologie in unserer Zeit. Seine Orientierungen sollte man nicht auf die internen Angelegenheiten einer vatikanischen Institution einschränken. Andererseits spricht es an, was viele Missionare und Theologen der SVD schon seit vielen Jahren praktizieren, wenn auch manchmal unter dem Verdacht fehlerhafter lehrmäßiger Sichtweisen oder mangelnden Glaubens oder des Betreibens „bloßer“ Soziologie.
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Eine kontextuelle und dialogische Theologie ist sich ihres relationalen Status bewusst und begreift, dass sie in ein Netz von Beziehungen eingebettet ist. Sie kann ihre Autoreferenzialität, Isolation und Bedeutungslosigkeit aufgeben und sich auf andere Disziplinen und Wissen beziehen. Auf diese Weise bedient sie sich eines Ansatzes der Interdisziplinarität und Transdisziplinarität (#5). Für die Steyler Missionare hat eine solche Anlage der Theologie mit der Steyler Anthropos-Tradition zu tun, dem auf den Gründer und die ersten Generationen zurückgehenden Interesse an den Sozialwissenschaften, die die verschiedenen Gegebenheiten des Menschen und der Gesellschaften weltweit untersuchen.
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Papst Franziskus stellt zusammenfassend fest, dass eine pastorale Perspektive der Theologie insgesamt eine induktive Methode annehmen und entwickeln muss. Es sollte keinen Gegensatz zwischen Theorie und Praxis geben. Vielmehr geht die Methode von den verschiedenen Kontexten und konkreten Situationen aus, in denen sich die Menschen befinden, und lässt sich von der Realität ernsthaft herausfordern. . . .
Papst Franziskus zeigt in seinem Motu Proprio Wege für eine Praxis der Theologie innerhalb eines Netzes lebendiger Beziehungen auf, die auf das Reich Gottes und die Hoffnung der Menschen überall ausgerichtet ist. Seine Anweisungen sind eine Ermutigung, Theologie ernst zu nehmen und im Dienst an Kirche und Welt voranzugehen – wozu die Steyler Missionare und viele andere in der Nachfolge des Herrn berufen sind.
Seite im Heft 291ff.