Editorial / Vorwort

Dieses Heft von Verbum SVD behandelt schwerpunktmäßig das Thema Migration.

Christian Tauchner SVD

Während ich das Vorwort zu diesem Heft des Verbum SVD schreibe, in dem es um die Migration geht, spielt sich in Deutschland ein weiter Diskussionsprozess, politisches Handeln und Nachdenken über die eigene Identität, über die Beziehung zu anderen und folglich über die eigene Gesellschaft ab. Es gibt Gruppen, die gegen eine, wie sie es sehen, zunehmende „Islamisierung“ der Gesellschaft auf die Straße gehen. Gott sei Dank gibt es viele andere Menschen und Gruppen im ganzen Land, die sich für einen anderen Umgang mit Migranten und Ausländern stark machen, für Menschlichkeit und Solidarität; viele von ihnen sind von ihrem christlichen Hintergrund motiviert. Die Politiker erwachen leicht geschockt angesichts der Tatsache, dass doch beträchtliche Gruppen in der Gesellschaft offenbar versuchen, die Grenzen dicht zu machen und Fremde auszugrenzen.
Interessanterweise haben sowohl der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck als auch die Kanzlerin Angela Merkel deutlich Position für Migranten und Flüchtlinge bezogen. Der Präsident fragte: „Tun wir wirklich schon alles, was wir tun sollten [bei der Aufnahme von Flüchtlingen]? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht allein von finanziellen Ressourcen ab oder von politischen Programmen, sondern mindestens ebenso von der Art und Weise, wie ehrlich, pragmatisch und nüchtern die Politik und die Gesellschaft die Herausforderungen der Flüchtlingspolitik diskutiert“, hielt er bei einem Symposium zum Flüchtlingsschutz fest (Gauck 2014).
Migration ist also eine Angelegenheit des „Tuns“. Das ist den Steyler Missionaren nicht fremd, die eine Option für die Migranten getroffen haben und Migration zu einer „Richtlinie für die Kongregation“ nach dem letzten Generalkapitel (2012) gemacht haben. Damit gehört Migration zu einem der zehn Hauptarbeitsgebiete der Kongregation für die nächste Zukunft. Die Richtlinie für die Gesellschaft 1.7 fordert:
Die Mobilität der Menschen ist eines der Zeichen unserer Zeit. In den Gesichtern von Migranten erkennen wir das Gesicht Christi, der sagte: „Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen” (Mt 25,35). Als eine interkulturelle und internationale Ordensgemeinschaft beobachten wir das ansteigende Ausmaß von externen oder internen, freiwilligen oder erzwungenen Ortsveränderungen von Einzelnen und von Gruppen, die sich auf die Stabilität der Familien und Gemeinschaften auswirken. Dieses Phänomen finden wir in fast allen Gebieten, in denen wir arbeiten, und es können innerhalb der Zonen gewisse Ähnlichkeiten festgestellt werden. (Richtlinien für die Gesellschaft 1.7, #18)
Bis zum Juli 2014 haben fünfzehn „Provinzen, Regionen und Missionen“ (die Verwaltungseinheiten der Steyler Missionare vor Ort) diese Priorität für ihre Arbeit gewählt: vier in Asien, vier in Amerika (Nord und Süd) und sieben in Europa; interessanterweise keine Provinz in Afrika.
Mehrere Artikel in diesem Heft von Verbum SVD widmen sich den extrem komplexen Fragestellungen, die mit dem Thema Migration zusammenhängen. Sie reichen von sozialer und theologischer Analyse über kritische Berichterstattung von einigen Orten der Welt, an denen Migration besonders problematisch erscheint, bis hin zum Bericht eines Betroffenen, der selber erfahren hat, wie es Migranten oft ergeht. Es gibt auch eine Hinführung zur vatikanischen Instruktion Erga migrantes caritas Christi aus dem Jahr 2004, einem leider wenig bekannten und kaum beachteten Dokument, das eine Reihe von inspirierenden und herausfordernden Perspektiven enthält, die dabei helfen können, „aus[zu]werten, was von unserer Gesellschaft in Zusammenarbeit mit anderen, die schon in dieser Arbeit unter Flüchtlingen und Migranten, getrennten und zerbrochenen Familien, Vertriebenen, Einwanderern ohne Dokumente und Opfern von Menschenhandel engagiert sind, getan wird“ (Richtlinien für die Gesellschaft 1.7, #18).

As I write the Editorial of this issue of Verbum SVD, dedicated to the topic of migration, Germany is deeply involved in a wide discussion, in political action even on the streets and in reflection on its identity, on the relation to others and consequently on politics. There are groups protesting in the streets against “Islamisation,” as they perceive it. Thank God, there are many more persons and groups in the whole country standing up for a different approach to migrants and foreigners, for humanity and solidarity, not least motivated by their Christian background. The political class is somehow waking up in shock that there seems to be a strong layer in society trying to shut down the borders and exclude strangers.
Interestingly, the German President, Mr. Joachim Gauck, as well as the Chancellor, Mrs. Angela Merkel, have taken a strong position in favour of migrants and refugees. The President demanded: “Are we doing all we should be doing [in accepting refugees]? The answer to this question does not depend only on financial resources or political programmes but at least as much on the way how honestly, pragmatically and soberly the political class and society will discuss the challenges of migration policy,” he stated at a Symposium on the protection of refugees (Gauck 2014).
Migration, then, is a field of “doing something.” This relates well to the Divine Word Missionaries, who have taken an option for migrants and placed it as a “congregational direction” after the latest General Chapter (2012), making it thus one of the ten principal fields of engagement of the Congregation for the near future. Congregational Direction 1.7 stipulates:
Human mobility is one of the signs of our time. In the faces of migrants, we contemplate the image of Christ who said: “I was a stranger and you made me welcome” (Mt 25:35). As an intercultural and international Society, we observe the increasing volume of internal and external free and forced displacement of individuals and groups that is affecting the stability of families and communities. This phenomenon is found in almost all of the areas where we work and certain similarities can be found within the zones. (Congregational Directions 1.7, #18)
All in all, until July 2014, fifteen “provinces, regions and missions” (the local administrative units of the SVD) had chosen this priority for their work: four in Asia, seven in Europe and four in the Americas; none in Africa, interestingly.
Several articles in this issue of Verbum SVD deal with the extremely complex issues related to migration, ranging from social and theological analysis and critical accounts of what happens at several hot spots for migration to the personal implication of someone who has gone through some of the suffering many migrants have to endure. There is also an introduction to the Vatican instruction Erga migrantes caritas Christi of 2004, sadly a little-known and scarcely appreciated document which holds a lot of inspiring and challenging perspectives that might help in the task of evaluating “what is being done by our Society in cooperation with others already involved in this work among refugees and migrants, separated and broken families, the displaced, the undocumented and victims of human trafficking” (Congregational Directions 1.7, #19).

Seite im Heft 335ff.